Der Fahrplan durch die Woche der Entscheidungen

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Was Deutschlands neue Rolle im Welthandel bedeutet – verständlich, relevant, auf den Punkt.

Pro Industrie & Handel am Morgen

Von LAURA HÜLSEMANN

Mit ROMANUS OTTE und TOM SCHMIDTGEN

TOP-THEMEN

— EU-Gipfel, Kabinett, Haushaltswoche, Mindestlohnkommission, Nato-Gipfel wir zeigen den Fahrplan durch die industriepolitische Woche.

Nach dem Kriegseingriff der USA im Iran steht die Straße von Hormus im Fokus.

— Reiche bekommt grünes Licht aus Brüssel für den Industriestrompreis. Hinter der Entscheidung könnte ein Deal mit Frankreich stehen. 

Willkommen bei Industrie und Handel – zum Start einer politisch entscheidenden Woche.

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THEMA DES TAGES

POWER-TAGE: In Brüssel findet der EU-Gipfel statt, in Den Haag trifft sich die Nato, in Berlin kommt der Haushalt ins Kabinett, die Entscheidung der Mindestlohnkommission könnte die SPD spalten — und in Nahost wütet ein Krieg. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Merz tritt heute beim Tag der Industrie auf. Bis morgen werden auch Finanzminister Lars Klingbeil, Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und Forschungsministerin Dorothee Bär sowie EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič im Gasometer in Berlin-Schöneberg sprechen. Um 13:30 Uhr geben Klingbeil und Šefčovič ein gemeinsames Pressestatement. 

„Neue Zeiten, neue Antworten“ ist der Slogan des Industrie-Gipfels, bei dem POLITICO Medienpartner ist. Vom BDI kommt eine Konjunkturprognose, die düster ausfallen dürfte, und ein Positionspapier zur Rolle der deutschen Industrie bei der Stärkung der Verteidigung.

„Wirtschaftswende konkret“, lautet das Motto des Panels, zu dem Katherina Reiche spricht. Am Mittwoch stellt sie sich dann im Bundestags den Fragen der Abgeordneten.

HAUSHALT: Am Dienstag bringt Finanzminister Klingbeil den Haushalt für 2025, die Eckwerte für 2026 und die Planung bis 2029 ins Kabinett. Dann zeigt sich unter anderem, wie viel Geld Deutschland für Rüstung ausgibt. Auch die Etat-Ansätze für die Entlastung bei Energiekosten oder die aktive Industriepolitik dürften spannend werden.

INVESTITIONS-BOOSTER: Das Paket mit Sonderabschreibungen, Steuersenkungen und -vorteilen für E-Autos und Forschungsausgaben wird am Donnerstag im Bundestag verabschiedet. Heute hört der Finanzausschuss Experten dazu an. 

Reaktionen: Die (positive) Stellungnahme der Spitzenverbände der Wirtschaft finden Sie hier. Kritik kommt von den Ökonomen Veronika Grimm (hier), Sebastian Dullien (hier), Dirk Meyer (hier) und Fritz Söllner (hier). Städte und Gemeinden fordern einen Steuerausfall-Ausgleich (hier). Hier müssen sich Bund und Länder noch einigen, denn der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen. 

NATO-GIPFEL: Die Nato-Staaten haben sich ein neues Ziel gesetzt. Künftig sollen fünf statt zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Rüstung und militärische Infrastruktur fließen. Wie (und ob) Europa die Lücke der USA füllen könnte, haben unsere POLITICO-Kollegen untersucht (hier). 

EU-GIPFEL: Am Donnerstag reist Merz nach Brüssel. Auch auf dem EU-Gipfel geht es um Außenpolitik und Rüstungsgeld. Doch es knirscht auch bei anderen Themen. 

Beispiel Green-Claims: Die EU-Kommission kündigte am Freitag an, die Richtlinie gegen Greenwashing in der Werbung aufzugeben. Wie meine Kollegin Marianne Gros erfahren hat, sind nun auch die finalen Gespräche, die für heute geplant waren, abgesagt worden. 

Gegendruck: Andere Fraktionen im Parlament reagierten empört auf die Absage der Richtlinie und drohten der Kommissionspräsidentin, die nötige Unterstützung zu entziehen. „Wir befinden uns am Rande einer institutionellen Krise“, sagte Valérie Hayer, Vorsitzende der liberalen Gruppe Renew Europe, meinem Kollegen Max Griera

MINDESTLOHN: Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen einen gemeinsamen Vorschlag für die Anhebung des Mindestlohns bis 2026 machen. Die Gewerkschaften wollen den Mindestlohn bis 2026 von 12,82 Euro auf 15 Euro erhöhen. Die Arbeitgeber halten diese Erhöhung um 17 Prozent für untragbar. Gut möglich, dass die Kommission ihre Entscheidung daher hinauszögert

SPD-PARTEITAG: Die Genossinnen und Genossen beraten von Freitag bis Sonntag im CityCube der Messe Berlin — und wählen die Partei-Doppelspitze. Lars Klingbeil stellt sich zur Wiederwahl. Arbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas will Saskia Esken beerben.

WELTHANDEL

DER NAHOST KONFLIKT WEITET SICH AUS. Nachdem die USA am Wochenende die iranischen Atomanlagen angegriffen hat, droht eine weitere Eskalation des Konflikts.

SPD warnt: „Es ist davon auszugehen, dass es kurzfristig zu einer deutlichen Steigerung des Ölpreises kommt“, sagt der wirtschafts- und energiepolitische Sebastian Roloff zu Laura Hülsemann.

Mit weiteren Folgen für die Weltwirtschaft — insbesondere, „wenn der Iran die Straße von Hormus sperren sollte.“ Die Straße von Hormus ist eine Öltransportroute an der Südspitze des Landes, durch die ein Fünftel des weltweiten Tagesverbrauchs transportiert wird.

Erste Warnzeichen: Die Ölpreise stiegen bereits am Sonntagabend auf den höchsten Stand seit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Mit einem Plus von mehr als 6 Prozent erreichten die US-Rohöl-Futures einen Höchststand von 78 Dollar pro Barrel.

Domino-Effekt: In einer von den amerikanischen Zöllen betroffen Weltwirtschaftslage, könnte das „zu einer Steigerung der Inflation führen”, was sich auf die „schwache, aber sich erholende Konjunktur” auswirke, so Roloff. Auch Lieferketten könnten beeinträchtigt werden, während es auf den Märkten zu Unsicherheiten kommen könnte. 

Die CDU sieht Möglichkeiten. Der amerikanische Militärschlag könne „für langfristige Stabilität in der Region und der Welt sorgen”, sagte Tilman Kuban ebenfalls zu Laura.

„Es liegt jetzt am Iran nicht noch mehr Schaden für die Weltwirtschaft, Energiepreise, Finanzmärkte und globale Lieferketten zu produzieren, sich zu besinnen und sein Volk entscheiden zu lassen“, so der CDUler.

US-Außenminister Marco Rubio warnte den Iran vor einer Schließung der Straße von Hormus. „Falls sie das tun, wäre das ein weiterer schwerer Fehler. Es wäre wirtschaftlicher Suizid für sie“, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender Fox News. 

Das iranische Parlament hat am Sonntag laut einem Medienbericht, den Reuters zitierte, eine Sperrung der Seestraße gebilligt. Ein solcher Schritt erfordere aber eine Zustimmung des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, berichtet der iranische Sender Press TV, der dazu noch nicht entschieden habe.

Am Sonntagabend war die Durchfahrt noch möglich. Die Reederei Hapag Lloyd etwa erklärte, ihre Schiffe würden weiterhin durch die Straße von Hormus fahren.

INDUSTRIESTROMPREIS I

GRÜNES LICHT AUS BRÜSSEL FÜR REICHE: Lange sah es so aus, als würden die Pläne von Katherina Reiche für einen Industriestrompreis am EU-Beihilferecht scheitern. Doch das könnte sich nun ändern. 

Die Details: Hohe Stromkosten können durch „zeitlich befristete Strompreisentlastungsmechanismen“ reduziert werden, heißt es in dem Entwurf des Rahmens der staatlichen Beihilfen zur Unterstützung des Clean Industrial Deal (CISAF), der meiner Kollegin Aude van den Hove vorliegt (hier). 

Mit diesen neuen Regelungen gibt es für Reiche mehr Spielraum. „Wir begrüßen (…) die Ankündigung der Europäischen Kommission, einen Beihilferahmen im Rahmen des Clean Industrial Deal vorzulegen”, so ein Sprecher ihres Hauses zu Laura.

Konkret: Die EU-Regierungen dürfen laut dem Entwurf Ermäßigungen in Höhe von maximal 50 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Großhandelsstrompreises gewähren, berichtet Aude van den Hove. .

Reiche hatte zuvor gefordert, den Industriestrompreis auf fünf Cent die Kilowattstunde zu senken — dies entspricht den nun von der EU genehmigten 50 Euro pro Megawattstunde. 

Forderungen: Unternehmen, die in den Genuss staatlicher Beihilfen kommen, müssen Investitionen in den ökologischen Wandel tätigen. Auch die Kernenergie soll für staatliche Beihilfen infrage kommen, so der Entwurf. Darauf hatte vor allem Paris gepocht. 

Atomkraft, nein danke: Das Umweltministerium sieht das kritisch. „Die Finanzierung von Atomanlagen aus Mitteln der EU lehnt die Bundesregierung ab“, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums zu Laura. 

„Deutschland und Frankreich haben anscheinend einen Deal mit der EU gemacht“, sagte Michael Kellner, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen, zu Laura. Sowohl Paris als auch Berlin könnten nun den Industriestrompreis fördern. 

Der Ablauf: Teresa Ribera — die Reiche bereits einen Besuch in Berlin abstattete — wird den Bericht am kommenden Mittwoch vorstellen.

INDUSTRIESTROMPREIS II

ALTERNATIV-VORSCHLAG: Die Linken bereiten einen Gegenvorschlag zum Industriestrompreis der Bundesregierung vor. Sie wollen Anreize schaffen, damit der Strom genutzt wird, wenn er günstig ist. 

Der Industriestrompreis soll sich in einem Korridor von 4 bis 6 Cent pro Kilowattstunde bewegen. Dies geht aus dem Entwurfsantrag hervor, der Laura vorliegt.

So „sollen energieintensive und verlagerungsbedrohte Unternehmen angereizt werden, den Strom dann zu verbrauchen, wenn viel erneuerbarer Strom im Netz ist und der Preis dadurch sinkt”, begründet der energiepolitische Sprecher Jörg Cézanne. 

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LIEFERKETTENGESETZ

LOCKER MACHEN: Die deutsche Wirtschaft fordert die stärkere Lockerung mehrerer EU-Regeln und damit mehr als das, was von der Kommission vorgesehen ist. Das geht aus einer Erklärung von neun Verbänden hervor, die Romanus vorab vorliegt (hier).

EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD): „Sollte die Richtlinie nicht in Gänze wegfallen, braucht es jedenfalls eine dringende Vereinfachung der Sorgfaltspflichten“, schreiben die Wirtschaftsverbände.

Vorschlag: Nur noch direkte Zulieferer außerhalb der EU sollten geprüft werden. Die Beschränkung auf Drittländer könne verhindern, dass der bürokratische Aufwand auf kleine und mittlere Unternehmen in der EU durchschlägt.

Mehr Abstriche mahnen die Verbände auch bei den Berichterstattungspflichten zur Nachhaltigkeit (CSRD), den CO₂-Grenzausgleichszahlungen (CBAM) und Vorschriften zur Entwaldung (EUDR) an.

Nur die Großen: Für alle Richtlinien solle es einen gemeinsamen Schwellenwert für die Unternehmensgröße geben. Die Verbände schlagen „die deutliche Anhebung (…) auf mindestens 3.000 Beschäftigte neben einem Mindestjahresumsatz von 450 Millionen Euro“ vor.

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SUBVENTIONEN

HABECK VOR BUNDESTAG ZITIERT: Die gescheiterte Northvolt-Subvention könnte Folgen für Robert Habeck haben. „Sofern die Fragen nicht vollständig beantwortet werden können, behalten wir uns einen Untersuchungsausschuss vor“, sagte Sepp Müller, Unions-Fraktionsvize, zu Tom Schmidtgen. 

Am Mittwoch sind Habeck und Ministerin Reiche vor den Haushaltsausschuss geladen. Die Koalition biete Habeck an, „sich zu dem in seiner Amtszeit liegenden Vorgang zu äußern“, heißt es zu Tagesordnungspunkt 5.

Der Vorwurf: Habeck habe die Wandelanleihe über 600 Millionen Euro an Northvolt leichtfertig erteilt.  Eine erste Tranche floss vor Baustart. „Bereits vor der Wandelanleihe des Bundes gab es Warnungen, was die Zahlungsunfähigkeit von Northvolt angeht“, so Müller. Mittlerweile ist die schwedische Firma insolvent, das Projekt vor dem Aus.

Gutachten wird öffentlich: Am Mittwoch werden das Gutachten des Bundesrechnungshofs und eines der Beratungsfirma PwC im Ausschuss vorgestellt. Habecks Haus beauftragte PwC, Northvolt zu durchleuchten. „Wir warten den PwC-Bericht ab“, sagte Müller.

E-FUELS

DAS E-FUEL-GESETZ (hier) wird von der Industrie als „ambitionslos“ kritisiert. Mit den Quoten würden nicht ausreichend Investitionen ausgelöst, sagte Ralf Diemer, Chef der E-Fuel Alliance, zu Tom. „So wird es keine Wasserstoffwirtschaft geben.“ 

Hintergrund: In dem Referentenentwurf, der Tom vorliegt, fordert das Umweltministerium, dass Kraftstoffen bis 2040 mindestens zwölf Prozent E-Fuels beigemischt werden. Ab 2026  müssen es mindestens 0,1 Prozent sein.

Positiv sei, dass E-Fuels „endlich in allen Verkehrsbereichen eingesetzt werden dürften“, sagte Mark Helfrich, umweltpolitischer Sprecher der Union, zu Tom. „CDU und CSU haben sich immer für Technologieoffenheit eingesetzt.” 

Grüner Widerspruch: „Es ist falsch, E-Fuels pauschal überall im Verkehrssektor zu fördern“, statt sie gezielter im Flug- oder Schiffsverkehr einzusetzen, so Jan-Niclas Gesenhues, Grünen-Sprecher für Umwelt, zu Tom. 

Der Grund: „E-Fuels sind deutlich teurer und klimaschädlicher als Elektroantriebe“, so Gesenhues. Deswegen sollten sie dort genutzt werden, wo sie schwer ersetzbar sind — wie im Flug- und Schiffsverkehr, während es für Autos elektronische Alternativen gibt. 

SAFE

AUF DER BREMSE: Eine juristische Analyse des Deutschen Bundestags warnt davor, dass die Investitionsvorteile des EU-Rüstungsprogramms gering sind — und vor allem in die USA fließen. Der Bericht, der auch die Rechtmäßigkeit von SAFE anzweifelt, liegt meinem Kollegen Chris Lunday vor (hier).

Die erwarteten Vorteile seien gering. Der Ausgabenmultiplikator von Verteidigungsausgaben liege laut Bericht womöglich „unterhalb des Multiplikators anderer öffentlicher Investitionen, beispielsweise in Infrastruktur oder Bildung“.

SAFE soll eigentlich ein politischer Befreiungsschlag sein: Kredite mit bis zu 45 Jahren Laufzeit und zehn Jahren Tilgungsfreiheit sollen Europas Verteidigungsindustrie ankurbeln und Investitionen bis zu 150 Milliarden Euro für Rüstungsvorhaben mobilisieren. 

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HEUTE WICHTIG

— LUFTFAHRT: Auf der diesjährigen aireg Sustainable Aviation Fuels Conference hält Katherina Reiche eine Keynote. 

 DIGITALES: Karsten Wildberger hält einen Keynote beim parlamentarischen Abend des Handelsverbands Deutschland und Google.

Das war Industrie und Handel — das Wirtschaftsbriefing von POLITICO. Vielen Dank, dass Sie uns lesen und abonnieren. Bis zur nächsten Ausgabe!

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